Hessenevents
Teure Landes-Shows auf Kosten der Steuerzahler
Ob Hessentag, Landesgartenschau oder Einheitsfest: Hessen leistet sich im Eventbereich einen Luxus, der bundesweit seinesgleichen sucht. Kein anderes Land feiert so oft, so lange und so teuer. Für die Besucher mag das ein toller Spaß sein – die Rechnung zahlen jedoch alle Steuerzahler. Der BdSt Hessen will keine Spaßbremse sein, setzt sich aber dafür ein, bei den Kosten Maß zu halten.
Ob Hessentag, Landesgartenschau oder Einheitsfest: Hessen leistet sich im Eventbereich einen Luxus, der bundesweit seinesgleichen sucht. Kein anderes Land feiert so oft, so lange und so teuer. Für die Besucherinnen und Besucher mag das ein toller Spaß sein – die Rechnung zahlen jedoch alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Der BdSt Hessen will keine Spaßbremse sein, setzt sich aber dafür ein, bei den Kosten Maß zu halten.
Austauschbarer Hessentag muss reformiert werden
Wenn jedes Jahr im Frühsommer der Hessentag in einer anderen hessischen Kommune startet, darf man den Titel des Landesfests leider nicht wörtlich nehmen. Denn es handelt sich mitnichten um einen, sondern gleich um zehn Tage Party am Stück. Das war nicht immer so: Im Jahr 1961 begann alles bescheiden mit einem Wochenende. Der damalige Ministerpräsident Georg-August Zinn rief den Hessentag ins Leben, um Alteingesessenen und Heimatvertriebenen ein Zusammengehörigkeitsgefühl im neu entstandenen Bundesland zu vermitteln. Grundsätzlich eine gute Idee, doch im Laufe der Zeit verabschiedete man sich immer weiter von diesem Konzept. Heute ist der Hessentag längst kein heimeliges Fest zur Stärkung der hessischen Identität mehr, sondern ein millionenschweres, glitzerndes Unterhaltungs-Event mit austauschbaren Kirmesbuden und Konzerten internationaler Stars ohne jeglichen Bezug zur Region. Das hat seinen Preis: Inzwischen wird jeder Hessentag von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern aus unterschiedlichen öffentlichen Kassen mit mehr als 20 Millionen Euro subventioniert. Dieses Geld fließt nicht nur in die Durchführung, sondern auch in Infrastrukturprojekte vor Ort, die teilweise nicht einmal etwas mit dem Hessentag zu tun haben. Dieser Gigantismus muss beendet werden, indem entweder kürzer oder in einem anderen Turnus gefeiert wird – so wie es alle übrigen Bundesländer vormachen. Beispielsweise ist der Rheinland-Pfalz-Tag auf ein Wochenende beschränkt und Nordrhein-Westfalen kommt sogar mit einem dreitägigen Fest im Zwei-Jahres-Rhythmus aus.
Auch Landesgartenschau kostet Millionen
Doch der Hessentag ist nicht das einzige millionenschwere Event: Seit 1994 findet in Hessen regelmäßig eine Landesgartenschau statt, meist von April bis Oktober. Inzwischen wird eine solche Gartenbau-Ausstellung mit großem Freigelände alle vier Jahre von wechselnden Städten ausgerichtet. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler stehen auch hier für zweistellige Millionenbeträge gerade, die sich abhängig von Wetter und Besucherinteresse schnell steigern können. Besonders ärgerlich: Selbst in Gartenschau-Jahren veranstaltet das Land parallel noch einen Hessentag in einer anderen Kommune. Auch 2015 feierte Hessen doppelt, weil das Land die Festivitäten zum Tag der Deutschen Einheit ausrichtete und anders als andere Bundesländer in der gleichen Situation nicht auf sein Landesfest verzichten wollte.
Hessen braucht eine Obergrenze für Landes-Events
Der BdSt Hessen fordert, dass für die freiwilligen Veranstaltungsleistungen des Landes eine jährliche finanzielle Obergrenze eingezogen wird. So sollte auf der Grundlage einer Vollkostenrechnung, die alle Leistungen der Kommune, des Landkreises und des Landes einbezieht, als Höchstsumme ein einstelliger Millionenbetrag pro Kalenderjahr festgelegt werden. Dies würde gleichzeitig bedeuten, dass man sich auf ein Landesfest pro Jahr beschränkt und somit kein Hessentag mehr zeitgleich zur Landesgartenschau durchgeführt würde. Auch könnte durch die Kostendeckelung ein wichtiger Schritt weg vom ausufernden Großereignis, hin zum eigentlichen Hessenfest eingeleitet werden. Eine Zusammenlegung der beiden Veranstaltungen wäre problemlos möglich. Eine Landesgartenschau bietet schließlich ein sehr attraktives Ambiente für die Treffen der hessischen Vereine und Verbände und würde auch einen schönen Rahmen für einen Hessenumzug bilden.
Video: Der BdSt Hessen besuchte den Hessentag 2024 in Fritzlar
Chronik des Hessentags
Vom bescheidenen Fest-Wochenende zum millionenschweren Mega-Event
FAQ
In Alsfeld beginnt im Jahr 1961 alles bescheiden mit einem identitätsstiftenden Fest an einem Wochenende. Der damalige hessische Ministerpräsident Georg-August Zinn rief den Hessentag ins Leben, um Alteingesessene und Heimatvertriebene zusammenzubringen. Den Menschen aus den verschiedenen Regionen soll dabei ein Zusammengehörigkeitsgefühl im neu entstandenen Land Hessen vermittelt werden.
In den Anfangsjahren liegt der Fokus vor allem auf der Brauchtumspflege. Unterschiedliche Volksgruppen präsentierten sich und ihre Bräuche, vor allem ihre Trachten. Seit 1971 wird jeweils ein Hessentagspaar gekürt, das das Fest repräsentiert. Bis heute findet zudem ein Festumzug statt, auf dem sich verschiedene Volksgruppen und Vereine präsentieren.
Die Zahl der Veranstaltungstage verdreifacht sich: Der Hessentag 1972 in Marburg ist der erste, der ganze neun Tage gefeiert wird. Dabei ist es bis auf wenige Ausnahmen geblieben, heute sind es sogar insgesamt zehn Tage. Andere Bundesländer sind da deutlich bescheidener, feiern nur drei Tage oder nicht in jedem Jahr. Der Hessentag ist damit das längste und teuerste Landesfest Deutschlands.
Der Hessentag 1990 in Fulda wird noch einmal um einen Tag auf insgesamt dann zehn Tage verlängert. Der Charakter des Fests wandelt sich zunehmend. Statt der Pflege des Brauchtums stehen nun verstärkt Musik und Unterhaltung im Mittelpunkt. Damit will man Tradition und Moderne verknüpfen. Doch kostspielige Auftritte nationaler und internationaler Stars stoßen auch auf Kritik – was haben die noch mit Hessen und seiner Identität zu tun?
Der Bund der Steuerzahler ist auch hin und wieder auf dem Hessentag vertreten – zuletzt 2003 in Bad Arolsen. In der Halle der Landesausstellung informierte der Verein über seine Arbeit, bot interessierten Bürgern Informationsmaterial zum Steuerrecht an und veranstaltete ein Steuer-Quiz. Dennoch bewertete der BdSt Hessen den Gigantismus des Landesfests und die damit verbundenen Kosten zunehmend kritisch. Ab 2004 verzichtet der Verband auf eine Beteiligung am Riesen-Event.
Damit die Städte den Hessentag durchführen, gewährt das Land großzügig millionenschwere Infrastruktur- und Städteförderungsmaßnahmen. Dabei kommt es hin und wieder auch zu überflüssigen oder völlig sinnlosen Baumaßnahmen. Ein Beispiel dafür ist der Neubau des Parkhauses am Landtor in der Stadt Weilburg für insgesamt 4,5 Millionen Euro. Die Pläne für den Bau reichten bis in die 1980er Jahre zurück und wurden für den Hessentag 2005 realisiert. Weil die Parkplätze dort aber eigentlich keiner benötigt und das Parkhaus nur äußerst schwach ausgelastet ist, findet sich das Projekt im Jahr 2008 als Fall von Steuergeldverschwendung im Schwarzbuch des BdSt wieder.
Im Zuge der Finanzkrise und der angespannten Lage der öffentlichen Haushalte rückt der Kostenfaktor Hessentag Ende der 2000er immer weiter in den Fokus. Offizielle Anfragen des Landtags lassen darauf schließen, dass der Hessentag vom Steuerzahler aus unterschiedlichen Kassen mit insgesamt 15 bis 20 Millionen Euro subventioniert wird. Alle übrigen Bundesländer kommen für ihre Landesfeste mit einem Bruchteil davon aus. Doch die hessische Landesregierung hält auch in Krisenzeiten an ihrem zehntägigen Partykonzept fest.
Die Stadtverordneten in Alsfeld entschieden, aus finanziellen Gründen auf die Ausrichtung des Hessentags 2010 zu verzichten. Der Fall sorgt für Aufsehen, denn in der Vergangenheit hatten immer wieder auch finanzschwache Kommunen für die Durchführung des Hessentags Defizite in Millionenhöhe in Kauf genommen. Der BdSt Hessen lobt die mutige Entscheidung der Alsfelder und fordert von nun an immer wieder, das ausgeuferte Konzept des Hessentags zu überdenken, dabei dessen Länge und damit auch die Kosten zu reduzieren. Daraufhin entbrennen immer wieder Diskussionen um das teure Fest und sein Konzept, in deren Folge auch Vellmar auf die Ausrichtung im Jahr 2013 verzichtet.
Die Bezuschussung des Hessentagsnimmt immer skurrilere Formen an. So erhält die für Vellmar eingesprungene Stadt Kassel über 5 Millionen Euro Landeszuschüsse für Maßnahmen, die in keinem direkten Zusammenhang mit der Großveranstaltung stehen und auch erst nach Austragung des Hessentags 2013 umgesetzt werden. Rechtlich überaus fragwürdig ist auch der Beschluss der Landesregierung, Hessisch Lichtenau für den Hessentag 2006 nachträglich 3,1 Millionen Euro aus dem Landesausgleichsstock zu gewähren. In den Richtlinien dieser Finanzierungsart für kommunale Notfälle sind grundsätzlich alle freiwilligen Leistungen ausgeschlossen. Zwei Jahre später erhielt auch Homberg (Efze) 2,9 Millionen Euro aus derselben Quelle für den Hessentag 2008.
Die neugebildete schwarz-grüne Landesregierung vereinbart in ihrem Koalitionsvertrag Ende 2013, das hessische Landesfest unter Reduzierung der Kosten weiterzuentwickeln. Doch statt zu sparen, wird zunächst sogar gleich doppelt gefeiert: Wie schon einige Male zuvor, veranstaltete das Land Hessen im Sommer 2014 zeitgleich den Hessentag und eine Landesgartenschau. Beides millionenteure Events, die aus Sicht des BdSt Hessen auch gut zusammengelegt werden können. Immerhin verständigt man sich im Herbst 2014 darauf, die Landeszuschüsse zu deckeln und schrittweise zurückführen zu wollen. Außerdem schlagen die Regierungsfraktionen vor, bald eine Anhörung unter Beteiligung von Kommunen und Verbänden durchzuführen. Beides sind Zwischenerfolge auf Druck des BdSt Hessen, die jedoch noch nicht ausreichen.
Weil trotz anderslautender Beteuerungen nichts von einer Reform des Hessentags zu hören ist, hakt der BdSt Hessen immer wieder bei der Staatskanzlei nach. Eine Anhörung zur Kostenreduzierung findet dann zwar im Mai 2015 endlich statt, allerdings intransparent und ohne die Beteiligung kritischer Stimmen. Auf Fragen nach Ergebnissen weicht die Staatskanzlei immer wieder aus. Doch der Bund der Steuerzahler lässt nicht locker. Die Forderung, sich ein Beispiel an Rheinland-Pfalz zu nehmen und als Veranstalter der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in Frankfurt im selben Jahr auf das Landesfest zu verzichten, wird ignoriert.
Im Frühjahr 2016 präsentiert die Landesregierung endlich ihr – äußerst dürftiges – Konzept zur Kostensenkung beim Hessentag. Es enthält aus Steuerzahlersicht zwar einige wenige Schritte in die richtige Richtung, diese beschränken sich aber nur auf die kommunale Ebene. Die teuren Landespräsentationen sowie das überdimensionierte Gesamtkonzept bleiben davon unberührt. Der BdSt Hessen wird deshalb weiter auf echte Reformen wie eine Verkürzung oder einen anderen Turnus drängen. Im Herbst 2016 steht der Hessentag als solcher erstmals als Fall von Steuergeldverschwendung im Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler.
Die Hessentage 2020, 2021 und 2022 wurden pandemiebedingt abgesagt.
Der Hessentag ist ein Schwarzbuch-Dauerbrenner und wurde vom BdSt aus aktuellem Anlass auch in die Ausgabe 2023/24 aufgenommen: 2023 stiegen die Kosten krisenbedingt noch einmal sprunghaft an, sodass das Fest in Pfungstadt kurz vor Beginn sogar auf der Kippe stand. Die Krisen der jüngeren Vergangenheit haben Schwächen und Risiken des ausgeuferten Party-Konzepts noch einmal offengelegt. Insbesondere, wenn kleinere Kommunen das Fest ausrichten wollen, bedeutet das für sie eine hohe Belastung. Angesichts gestiegener Sicherheits-, Hygiene-, Energie- und Lohnkosten, die eben nicht pauschal anfallen, macht es natürlich einen Unterschied, wie viele Tage das Fest dauert. Für den Steuerzahlerbund zeigt die veränderte Weltlage schmerzhaft auf: Das bisherige XXL-Format ist nicht mehr zeitgemäß und muss dringend verschlankt werden.
Nachdem der Bund der Steuerzahler den Hessentag und dessen ausufernde Kosten auch im Schwarzbuch 2023/24 kritisiert hatte, flammte die Diskussion um Zukunft und Ausgestaltung des XXL-Landesfests wieder auf. Die Landesregierung sah sich unter ständigem Rechtfertigungsdruck, hielt aber zunächst unbeirrt am bisherigen Konzept fest. Fritzlar, wo der nächste Hessentag stattfinden wird, zog die Konsequenzen. Im Alleingang verkündete die nordhessische Kleinstadt, dass es 2024 erstmals nach langer Zeit keine Arena für Großveranstaltungen geben wird. Als Grund gab sie die hohen Kosten an.
Aus Sicht des Bundes der Steuerzahler sind der Verzicht auf die Arena und größere Konzerte ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Entwicklungen in Fritzlar wie auch schon 2023 in Pfungstadt bestätigen die BdSt-Kritik, dass das überdimensionierte Hessentags-Konzept einfach nicht mehr in die Zeit passt. Die Kosten im gesamten Veranstaltungsbereich sind explodiert, da können es sich viele Kommunen nicht mehr leisten, zehn Tage mit vielen kleinen und teilweise auch sehr großen Veranstaltungen zu feiern. Zudem war doch oft sehr fraglich, was Konzerte nationaler oder internationaler Stars ohne Bezug zur Region mit der Stärkung der hessischen Identität zu tun haben sollen.
Dass Fritzlar notgedrungen voranging und einen Kostentreiber im Alleingang strich, ist ein unmissverständliches Signal: Es ist jetzt wirklich Zeit, das Konzept des Hessentags auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren. Dabei helfen jedoch keine kosmetischen Anpassungen oder Verweise auf mögliche Prioritätensetzungen der Ausrichter-Kommunen. Der Hessentag hat strukturelle Probleme, die nur die Landesregierung ändern kann: Länge bzw. Turnus und vorgegebene Module, also die Rahmenbedingungen, die die Ausrichter-Kommunen ausfüllen müssen. Reformen dürften nicht von heute auf morgen umsetzbar sein, zumal die Hessentage bis 2026 bereits vergeben sind. Doch es besteht Hoffnung, dass die neue schwarz-rote Koalition in Wiesbaden in neuer personeller Zusammensetzung die Zeichen der Zeit erkennt und umsteuert. Wie bisher die Augen vor der veränderten Realität zu verschließen, geht nicht mehr lange gut.