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Hubschrauber und Kinder vertragen sich nicht

Bei der Planung eines Kindergartens im mittelhessischen Lich wurde der Hubschrauberlandeplatz in unmittelbarer Nachbarschaft außer Acht gelassen. Auf den Kosten für dessen Verlegung könnten die Steuerzahler sitzenbleiben, weil sich die Stadt auf Aussagen des Bauträgers verlassen hat, statt sie vertraglich festzuhalten.

Lich. Es begann als vielversprechende öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP): Ein privater Klinikbetreiber errichtete auf seinem Gelände in Lich einen Betriebskindergarten, den die Stadt betreiben sollte. Diese wiederum wollte sich den größeren unternehmerischen Handlungsspielraum eines privaten Bauträgers zunutze machen und so günstiger und schneller an die dringend benötigten Kindergartenplätze kommen. Nur ein kleiner Teil sollte für die Kinder von Klinikbeschäftigten reserviert sein.

Die Stadt schloss 2018 einen Vertrag mit dem Klinikbetreiber, der 10 Prozent der Gesamtfinanzierungskosten, höchstens jedoch 300.000 Euro, übernehmen sollte. Lich verpflichtete sich somit zur Zahlung von 90 Prozent der zunächst geschätzten 2,9 Mio. Euro Gesamtkosten und zur Übernahme eventueller Mehrkosten. Der Bauantrag für die Kita wurde von der Bauaufsicht des Landkreises Gießen 2019 genehmigt. Es konnte also losgehen.

Die Freude währte aber nur kurz, denn schon wenige Tage später schaltete sich das Luftfahrt-Bundesamt ein und meldete Bedenken an: Nach seiner Ansicht vertrage sich der neue Kindergarten nicht mit dem Hubschrauberlandeplatz der Klinik in unmittelbarer Nachbarschaft. Die Bauaufsichtsbehörde machte daraufhin die Verlegung des Landeplatzes zur Auflage. Auf die Anfrage des Bundes der Steuerzahler, warum die Bauaufsicht erst nach Erteilung der Baugenehmigung und nach Hinweisen des Luftfahrt-Bundesamts die Auflage zur Verlegung des Landeplatzes machte, ging bis Redaktionsschluss keine Antwort ein.

Der Kindergarten ist nun seit 2020 in Betrieb, der Hubschrauberlandeplatz mittlerweile verlegt. Ungeklärt ist jedoch die Frage, wer die Kosten für die Verlegung trägt. Für die Klinik gehören diese zum Gesamtprojekt, weshalb sie bei der Endabrechnung letztlich 580.000 Euro einbehalten hat. Da die Stadt damit nicht einverstanden war und mit dem Klinikbetreiber auch keine Einigung erzielen konnte, hat sie ihren bisherigen Projektpartner verklagt. Dabei beruft sich Lich darauf, dass die Problematik des Hubschrauberlandeplatzes vor Vertragsschluss immer wieder zwischen Vertretern der Stadt und der Klinik angesprochen worden sei: Aus Sicht der Stadt habe die Klinik als Bauträger mehrfach versichert, dass die unmittelbare Nachbarschaft zum Kindergarten kein Problem sei. Die Klinik ihrerseits beruft sich darauf, dass die Verlegung des Landeplatzes zu den Gesamtfinanzierungskosten hinzuzurechnen sei. Denn im Vertrag seien auch „Mehrkosten des Bauvorhabens, die sich z.B. aus behördlichen oder gesetzlichen Anforderungen […] ergeben“, ausdrücklich erwähnt. Folglich müsse die Stadt auch für die Verlegungskosten aufkommen.

Die Position der Klinik teilten auch das Gießener Landgericht sowie das Oberlandesgericht Frankfurt am Main und wiesen die Klage der Stadt ab. Ob Lich nun in dritter Instanz beim Bundesgerichtshof weiterkämpfen wird, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Verzichtet die Stadt auf eine weitere gerichtliche Überprüfung oder unterliegt dort erneut, gehen den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern 580.000 Euro verloren, weil sich die Verantwortlichen der Stadt auf die – mündlichen – Aussagen der Klinik verlassen haben, statt sich diese als Ergänzung zum Vertrag schriftlich geben zu lassen.

Der Bund der Steuerzahler kritisiert:

Das ÖPP-Projekt zum Bau eines Kindergartens hat grundsätzlich Vorbildcharakter. Allerdings sind beim Abschluss von Verträgen äußerste Sorgfalt und Vorsicht geboten. Die öffentliche Hand muss es sich gut überlegen, ob sie in Verträgen z. B. pauschal für mögliche Mehrkosten einstehen will und kann. Außerdem müssen mündliche Zu- und Aussagen vertraglich festgehalten werden, um das Risiko für die Steuerzahler zu begrenzen.

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