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Kassel macht Dieben das Leben zu leicht

Die für 840.000 Euro installierten Fahrradbügel in Kassel sind einfach zu demontieren. So haben Diebe zu leichtes Spiel – gefördert von den Steuerzahlern. Während sich die Nutzer um ihre Räder sorgen, verweist die Stadt unverdrossen auf die Vorteile der Abstellanlagen.

Kassel. Die vielbeschworene Verkehrswende soll nach dem Willen der Parlamentsmehrheit auch im nordhessischen Kassel vorankommen. Dafür hat die Stadtverordnetenversammlung 2019 ein Paket von Maßnahmen auf den Weg gebracht, darunter den massiven Ausbau der Abstellmöglichkeiten für Fahrräder. Kassel will im ersten Schritt 1.800 neue Abstellplätze schaffen. Später soll die Zahl gesteigert werden.

Seit 2022 läuft das Setzen von 950 Fahrradbügeln, die in der Regel jeweils zwei Rädern eine Abstellmöglichkeit bieten sollen. Als Kostenstand nannte die Stadt zu Redaktionsschluss ca. 840.000 Euro. Dabei ist es für die Stadt komfortabel, dass das Land Hessen dieses Projekt zu 80 Prozent fördert. Die Standorte der Fahrradbügel stimmte die Stadt unter anderem mit den Ortsbeiräten ab, indes kam es immer wieder zu Protesten von Anwohnerinnen und Anwohnern sowie Geschäftsleuten. Für Aufregung sorgte vor allem, dass für die neuen Bügel Kfz-Stellplätze entfallen sind. In den Medien klagten Betroffene außerdem darüber, dass einige Bügel nicht genutzt würden. Mutmaßlich aus Protest entfernten oder demolierten Unbekannte mehrfach einzelne Fahrradbügel. Spätestens dadurch wurde klar, dass sich die Vorrichtungen ganz einfach aus der Verankerung heben lassen – dazu müssen nur zwei Gewinderinge gelöst werden. Für die Demontage ist noch nicht einmal spezielles Werkzeug nötig.

Dabei war die leichte Entfernung der Bügel von der Stadt so geplant: Tatsächlich verweist Kassel explizit auf die Vorteile einer leichten Demontage im Bedarfsfall, z. B. wenn der Platz für Veranstaltungen oder Baustellen gebraucht würde. Deshalb seien auch Straßenschilder in gleicher Weise demontierbar. Ein erhöhtes Diebstahlrisiko sieht die Stadt nicht, schließlich würden Kriminelle in der Regel die Fahrradschlösser knacken. Außerdem hätten alle neu installierten Fahrradbügel Querholme, sodass man bei einem Diebstahl durch Demontage des Bügels diesen unkomfortabel mit abtransportieren müsste.

Diese Einschätzung teilen aber nicht alle: In zahlreichen Forenbeiträgen und Leserbriefen fragten sich Bürgerinnen und Bürger, wie sicher die Bügel seien, wenn sie derart leicht herausgezogen werden können. Schließlich dürfte ein wertvolles Fahrrad auch mit anhängendem Bügel ein lohnendes Ziel für professionelle Diebe sein. Der Vorsitzende des Fahrradverbandes ADFC Kassel Stadt und Land sagte der Presse, dass er sein Pedelec jedenfalls nicht über Nacht an einem dieser Anlehnbügel abschließen würde. Fest einbetonierte Bügel, Abstellboxen oder Rad-Parkhäuser seien sicherer.

Aber wie geht es jetzt weiter? Nach Auskunft der Stadt sollen bis Ende 2023 fast alle vorgesehenen 950 Bügel installiert sein. Eine Evaluation der Standorte hat bereits begonnen. Einen Wechsel auf diebstahlsichere Alternativen hat Kassel jedoch bisher nicht beschlossen.

Der Bund der Steuerzahler meint:

Wer will, dass die Verkehrswende Fahrt aufnimmt, muss Abstellmöglichkeiten für Fahrräder schaffen, denen man vertrauen kann. Die demontierbaren Bügel in Kassel bestechen zwar durch ihre Flexibilität im öffentlichen Raum, doch die originäre Funktion einer sicheren Anschlussmöglichkeit erfüllen sie nicht ausreichend. Ob man Menschen so davon überzeugen kann, für Alltagswege verstärkt das Fahrrad zu nutzen, darf bezweifelt werden.

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