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Steuergeldverschwendung in Hessen 2024/25

Bund der Steuerzahler Hessen stellt Schwarzbuch 2024/25 vor / Elf hessische Fälle

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hat sein diesjähriges Schwarzbuch „Die öffentliche Verschwendung 2024/25“ veröffentlicht. Es handelt sich um die 52. Ausgabe der traditionsreichen Publikation, in der alljährlich 100 exemplarische Fälle von Steuergeldverschwendung enthüllt werden. Mit dabei sind auch elf hessische Beispiele. „Das Schwarzbuch zeigt seit mehr als fünf Jahrzehnten anhand konkreter Beispiele auf, welche Fehler zu Verschwendung führen. Damit wollen wir dazu beitragen, ähnliche Fälle in Zukunft zu vermeiden. Dass uns das immer wieder gelingt, zeigt das Kapitel Erfolge“, erklärt Joachim Papendick, Vorsitzender des BdSt Hessen. Das Schwarzbuch widmet sich dieses Jahr mit einem Schwerpunktkapitel der Bürokratie und ihren Auswirkungen.

Lorsch und Heppenheim in Südhessen haben es 2024 gemeinsam ins Schwarzbuch geschafft: Weil sie unter Denkmalschutz steht, wurde eine alte Postbrücke am Naturschutzgebiet Weschnitzinsel auf dem Gebiet der beiden Städte für mehr als 300.000 Euro saniert. Doch hinter der Brücke geht es nicht weiter: Sie endet an einem Zaun, denn der dahinterliegende Weg durch das Naturschutzgebiet darf nicht mehr benutzt werden, um Tiere zu schützen. Das Aufeinandertreffen von Denkmal- und Naturschutz hat also dazu geführt, dass eine Brücke ohne Verkehrszweck für viel Geld saniert wurde. Der BdSt wirft im Schwarzbuch die Frage auf, ob nicht auch eine Teilsanierung möglich und ausreichend gewesen wäre.

Video zum Fall

Um teuren Denkmalschutz geht es auch im Fall eines Schornsteins in Marburg. Dieser steht seit mehr als 50 Jahren auf dem Gelände des Fernheizwerks der Universität Marburg, wird schon länger nicht mehr genutzt und ist inzwischen sehr marode. Eine Sanierung kostet mehrere Millionen Euro, zusätzlich zu den jährlich anfallenden Unterhaltungskosten von 50.000 Euro. Deshalb wollte die Uni den 100 m hohen Turm abreißen lassen. Doch die Denkmalschutzbehörde hat ihr Veto eingelegt, weil der Schornstein ein schützenswertes Industriedenkmal sei. So drohen Hessens Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern Millionenkosten für ein nutzloses Relikt. Der BdSt fordert, dass alle Beteiligten noch einmal darüber beraten, ob wirklich Millionen Euro Steuergeld sprichwörtlich durch den Schornstein gejagt werden sollen.

Video zum Fall

Im Schwarzbuch findet sich in diesem Jahr auch die Stadt Biedenkopf. Im dortigen Freibad fiel nach 30 Jahren bei einer Untersuchung auf, dass der Drei-Meter-Turm zu nah an der Ein-Meter-Anlage steht und im Becken darunter fünf Zentimeter Tiefe fehlen. Da die Stadt bei möglichen Unfällen haftet, muss der Drei-Meter-Turm deshalb nun abgerissen werden – obwohl  jahrzehntelang kein Unfall passierte und niemand die Mängel bemerkte. Zwar betragen die Abrisskosten schätzungsweise „nur“ 1.500 bis 2.000 Euro – doch der Badespaß wird durch den dann fehlenden Sprungturm natürlich getrübt. Der Bund der Steuerzahler wirft im Schwarzbuch die Frage auf, ob die Vorschriften so unflexibel sein müssen, dass selbst minimale Abweichungen unmöglich sind.

Kurzvideo zum Fall

Einen Eintrag ins Schwarzbuch erhielt auch die Stadt Gießen für den dilettantisch angelegten Verkehrsversuch zur Verbesserung des Radverkehrs auf dem Anlagenring. Weil die Verantwortlichen rechtliche Grundlagen ignoriert und sich sogar über Warnungen hinweggesetzt hatten, erwies sich das Vorhaben als rechtswidrig und musste vorzeitig abgebrochen werden. Die begonnenen Baumaßnahmen mussten größtenteils zurückgebaut werden. Fehlende Sorgfalt und Ignoranz kosten die Gießener Steuerzahlerinnen und Steuerzahler eine Millionensumme. Der BdSt fordert, dass politisch Verantwortliche beim Umgang mit Steuergeld alle rechtlichen Grundlagen gründlich prüfen (lassen) und dies in die Entscheidungsfindung miteinbeziehen.

In der diesjährigen Ausgabe moniert der Steuerzahlerbund außerdem, dass Homberg (Efze) eine Schrottimmobilie im Ortsteil Wernswig für 125.000 Euro gekauft hat. Das Haus steht der Neugestaltung eines neuen Ortsmittelpunkts im Weg, doch die gezahlte Summe übersteigt den eigentlichen Wert deutlich. Bei einer vorangegangenen Zwangsversteigerung ging die Immobilie noch für 27.500 Euro über den Tresen – an einen anderen Bieter. Die Stadt zog den Kürzeren, weil sie sich mit einer Satzungsvorgabe beim Bieten selbst beschränkt hatte. Aus Sicht des BdSt hätte die Stadt Homberg (Efze) vor der Zwangsversteigerung sicherstellen müssen, dass sie auch bei einem höheren Gebot mitsteigern kann. Immobilienkäufe zu Wucherpreisen sollten nicht auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gehen.

Video zum Fall

Der Steuerzahlerbund greift im Schwarzbuch außerdem die Misere um die frühere Finanzamtsimmobilie in Wiesbaden auf. Diese hat Hessen zusammen mit zahlreichen anderen Landesimmobilien vor rund 20 Jahren verkauft und langfristig zurückgemietet, um finanziellen Spielraum zu gewinnen. Doch damals hat das Land einige Entwicklungen nicht vorausgesehen. Der ehemalige Dienstsitz der Finanzämter Wiesbaden I und II ist inzwischen dringend sanierungsbedürftig. Deshalb wurde für die inzwischen fusionierten Ämter eine neue Immobilie angemietet. Seit dem Umzug im Oktober 2022 steht der Großteil des alten Finanzamtsgebäudes leer. Trotzdem fällt weiter Miete in Höhe von jährlich 3,4 Mio. Euro an und der Mietvertrag läuft noch bis Ende 2035.

Einen Schwarzbuch-Eintrag erhielt auch Hessens größte Stadt Frankfurt: 2011 kaufte die Stadt für knapp 1,3 Mio. Euro einen als „Paradieshof“ bekannten 1960er-Jahre-Bau in Sachsenhausen. Allerdings hat sie bis heute kein Konzept realisiert, sodass das Gebäude leer steht und zusehends verfällt. Der BdSt fordert von den politischen Entscheidungsträgern endlich ein realistisches Nutzungskonzept oder den Verkauf des „Paradieshofs“. Wenn die Mainmetropole nicht handelt, drohen Kosten in Millionenhöhe für eine immer aufwendigere Sanierung.

Ein Schlaglicht wirft der Bund der Steuerzahler mit seinem Schwarzbuch auf unnötige Kosten für Polit-PR in Kassel. Dort ließen sich die neuen hauptamtlichen Magistratsmitglieder Ende 2023 für Porträt- und Gruppenfotos ablichten. So weit, so normal. Doch die Fotos machte nicht etwa ein lokaler Fotograf, sondern ein eigens dafür angereister Star-Fotograf aus Berlin. Die Kosten von fast 6.000 Euro inklusive Anfahrt und Übernachtung erregten Aufsehen und Ärger. Örtliche Anbieter wären zum Preis von rund 1.000 Euro zu haben gewesen. Der BdSt findet: Für die Bilder des neuen Magistrats wäre kein teurer Promi-Fotograf nötig gewesen, Starallüren dürfen nicht auf Steuerzahlerkosten gehen!

Der BdSt hinterfragt in der diesjährigen Ausgabe erneut den sogenannten „E-Highway“ in Südhessen. Auf einem Abschnitt der A5 brachte der Bund im Jahr 2019 Oberleitungen für Hybrid-Lkw an, um zu erproben, ob und wie man dadurch im Güterverkehr den CO2-Ausstoß reduzieren kann. Die Gesamtkosten für die hessische Teststrecke betrugen damals rund 30 Mio. Euro. Trotz viel Kritik investierte der Bund 2022 weitere 22 Mio. Euro, um die Strecke um sieben Kilometer auszubauen. Der Test soll noch bis Mitte 2025 andauern. Wie es dann weitergeht und wie hoch die Kosten für einen etwaigen Abbau sind, ist unklar. Ein flächendeckender Einsatz der Technik ist zweifelhaft, schließlich ist dafür eine große Verbreitung der Oberleitungen erforderlich, was zu enormen Kosten führen würde. In Schleswig-Holstein wird ein ähnlicher Testbetrieb auf der A1 eingestellt, weil die Technik keine Aussicht auf weitere Nutzung hat. Der BdSt befürchtet, dass auch für die hessische Strecke viel Steuergeld in eine Sackgasse investiert worden ist.

Video zum Fall

Im Schwarzbuch 2020/21 warnte der Bund der Steuerzahler vor 500.000 Euro teurer Kunst am Bau vor dem damals neueröffneten RheinMainCongressCenter (RMCC) in Wiesbaden. Geplant war eine vier Meter hohe Pyramide, die nur wenige Tage nach Erscheinen des Schwarzbuchs auf Wunsch der Künstlerin nicht mehr realisiert wurde. Doch das bereits eingeplante Geld wollte die Landeshauptstadt nicht anders verwenden und so währte die Freude der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nur kurz: Im November 2022 beauftragte die Stadt nach einem Wettbewerb eine andere Künstlerin damit, Skulpturen vor dem RMCC zu verwirklichen, die seit Sommer 2023 zu besichtigen sind. Der BdSt findet: Um Verbundenheit zu Gebäuden wie dem RMCC zu schaffen, braucht es keine teuren Skulpturen, die obendrein nur der Notnagel für die ursprünglich geplante Pyramide sind. Diese hat das imposante RMCC nicht nötig.

Video zum Fall

Doch es gibt auch erfreuliche Entwicklungen: In Grebenhain im Vogelsbergkreis war für 2024 der Bau eines Funksendemasts geplant. Daraus sollte – auch aufgrund mehrerer Fördertöpfe – ein Multifunktionsturm mit Aussichtsplattform werden. Dadurch hätten sich die geplanten Kosten von 167.000 Euro auf rund 800.000 Euro erhöht. Das war für den Bund der Steuerzahler nicht hinnehmbar, zumal die Aussicht auch ohne Turm gut war. Als Fall drohender Verschwendung gelangte das Projekt daher in das Schwarzbuch 2023/24 und erregte regional und überregional Aufmerksamkeit. Die Kritik entfaltete Wirkung, sodass der Multifunktionsturm nun doch nicht gebaut wird. Der Presse gegenüber räumte der Grebenhainer Bürgermeister die Rolle des Bundes der Steuerzahler bei der Verhinderung des Multifunktionsturms ein. Das Schwarzbuch wirkt!

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