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Wiesbaden fährt Wasserstoffbusse vor die Wand

Wiesbaden gibt sich beim emissionsfreien ÖPNV gern als Vorreiter. Die Einführung von wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellenbussen ist jedoch spektakulär gescheitert: Nach nur einem Jahr war Schluss und die Stadt musste zusehen, die für Millionensummen angeschafften Busse und die Tankstelle wieder loszuwerden. Die Gründe für das schnelle Aus waren hausgemacht und für die Verantwortlichen vorher absehbar.

Wiesbaden. Wie viele andere Kommunen stand die hessische Landeshauptstadt angesichts überschrittener Schadstoff-Grenzwerte und drohender Fahrverbote vor der Herausforderung, die innerstädtische Luftqualität verbessern zu müssen. Wiesbaden hat den Verkehr als einen der Hauptverursacher schlechter Luft identifiziert und in den vergangenen Jahren diverse Maßnahmen ergriffen. In der Folge sollen nicht nur mehr Autofahrerinnen und Autofahrer auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, sondern der ÖPNV selbst soll in Zukunft komplett emissionsfrei werden.

Weil Straßenbahnsysteme in der Vergangenheit nicht durchsetzbar waren, konzentriert sich die Stadt derzeit auf die Umstellung ihrer Busflotte. Nachdem sie bereits zahlreiche elektrisch betriebene Fahrzeuge angeschafft hatte, bestellte die Wiesbadener Verkehrsgesellschaft ESWE Verkehr nach europaweiter Ausschreibung 2020 auch zehn Brennstoffzellenbusse für insgesamt mehr als 6 Mio. Euro, wofür es großzügige Förderzusagen aus Bundesund EU-Töpfen gab. Diese Busse sollten besonders anspruchsvolle Fahrstrecken bewältigen, die nicht sinnvoll mit E-Bussen bedient werden können. Dafür war eine spezielle Tankstelle für sogenannten grünen Wasserstoff erforderlich, die bereits 2019 für 2,159 Mio. Euro gemeinsam mit der Nachbarstadt Mainz und mit 1,83 Mio. Euro, gefördert von den Ländern Hessen und Rheinland-Pfalz, angeschafft wurde. Im Februar 2020 ging die Tankstelle auf dem Betriebshof der ESWE Verkehr, nahe dem Wiesbadener Hauptbahnhof, in Betrieb. Auch die dortige Werkstatt war extra für 39.000 Euro umgebaut worden. Kurz vor Weihnachten 2021 konnten die beiden ersten eigenen Brennstoffzellenbusse dann endlich im Liniennetz eingesetzt werden.

Doch nach knapp einem Jahr war schon wieder Schluss: Erst verschwanden die Brennstoffzellenbusse im Oktober 2022 aus dem Linienverkehr, Mitte Dezember kam dann das vollständige Aus: Die Verantwortlichen, die sich bei Kauf und Start der Busse noch als „technologieoffen“, „modern“, „innovativ“ und „nachhaltig“ präsentierten, gaben somit indirekt zu, dass ihr Wasserstoff-Experiment mitnichten der behauptete „Meilenstein“, sondern gescheitert war. Verklausuliert teilte ESWE Verkehr mit, es strebe „mit einer Neuausrichtung seines Fuhrparks die Verabschiedung der Brennstoffzellenbusse an“. Grund für die Kehrtwende war offenbar Überforderung: So seien die bewährten Antriebstechnologien Diesel und Elektro für die „Werkstatt-Infrastruktur schon sehr anspruchsvoll“, so der Geschäftsführer. Später schob die Verkehrsgesellschaft auf BdSt-Anfrage nach, dass die Fläche auf dem Betriebshof in der Praxis für das Abstellen von Fahrzeugen sowie die zusätzliche notwendige Werkstattinfrastruktur für drei Antriebsarten nicht ausgereicht habe. Zudem sei es zu einer überplanmäßigen Kostensteigerung bei der Beschaffung des Wasserstoffs gekommen. Das schnelle Aus für die Busse, dessen Begründung und die zugehörige Kommunikation sorgten bundesweit für Kritik und Spott in Presse und sozialen Medien. Auch der Landesverkehrsminister als Fördermittelgeber zeigte sich „irritiert“. Den Schlussstrich zog im März 2023 die Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung, die den Ausstieg endgültig besiegelte.

Die in Wiesbaden nutzlos gewordene Wasserstoff-Tankstelle wird nach Mainz verlagert. Die damit verbundenen Kosten wurden zu Redaktionsschluss noch ermittelt. Hier wurden also Steuergelder in noch unbekannter Höhe verschwendet! Und bei den Bussen selbst? Die Hälfte der Brennstoffzellenbusse ist bereits nach Mainz verkauft – pro Bus, der ursprünglich gut 600.000 Euro gekostet hatte, kamen wohl nur knapp 427.000 Euro dabei heraus. Dieser Betrag ergibt sich aus einer E-Mail der Stadt an den Bund der Steuerzahler, die fünf Busse „nicht unter Buchwert“ veräußert zu haben. Nach städtischen Unterlagen dürfte dieser bei knapp 427.000 Euro pro Bus gelegen haben. Jedoch: Über den genauen Verkaufspreis schwieg man sich bislang aus. Für die übrigen fünf Brennstoffzellenbusse war die ESWE Verkehr noch nach anderen Verkehrsunternehmen als Käufer auf der Suche. Selbst wenn diese Busse noch Abnehmer finden sollten, verursacht das Wiesbadener Wasserstoff-Experiment schon jetzt einen finanziellen Schaden. Schließlich sah auch der Wiesbadener Verkehrsdezernent „das Risiko, dass Verkaufserlöse unterhalb des Restbuchwertes erzielt werden, was zu Buchverlusten führt“. Immerhin: Nachdem zunächst noch zu befürchten war, dass erhaltene Fördergelder zurückgezahlt werden müssen, gelten die Bus-Verkäufe und die Tankstellen-Verlagerung nach Mainz inzwischen als „förderunschädlich“.

Der Bund der Steuerzahler kritisiert:

Die Gründe für das Aus der Brennstoffzellenbusse sind allesamt hausgemacht und nicht neu – und wurden dennoch bei der Entscheidung zur Einführung nicht berücksichtigt. Wiesbaden hat sehenden Auges Steuergelder für ein Projekt ausgegeben, gegen das gewichtige Argumente sprachen. Die Stadt und ihre Verkehrsgesellschaft müssen den Schaden begrenzen und bei künftigen Entscheidungen Projekte bis zum Ende denken.

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