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Wo bleibt die Hessentags-Zeitenwende?

Jedes Jahr richtet eine andere hessische Stadt das Landesfest aus, ein ähnliches Vergnügen leisten sich auch viele andere Bundesländer. Der Hessentag ist jedoch die mit Abstand längste und teuerste Veranstaltung dieser Art und belastet die Steuerzahler jährlich mit rund 20 Mio. Euro. 2023 stiegen die Kosten krisenbedingt noch einmal sprunghaft an, sodass das Fest kurz vor Beginn auf der Kippe stand. Die veränderte Weltlage zeigt: Das bisherige XXL-Format ist nicht mehr zeitgemäß und muss dringend verschlankt werden.

Hessen. Alljährlich im Frühsommer feiert Hessen sich selbst. Doch den Namen des Hessentags, der immer in einer anderen Kommune im Land gefeiert wird, darf man nicht wörtlich nehmen, denn es handelt sich nicht nur um einen, sondern gleich um zehn Tage Party am Stück. Das war nicht immer so: Im Jahr 1961 begann alles bescheiden mit einem Wochenende. Der damalige Ministerpräsident hatte den Hessentag ins Leben gerufen, um Alteingesessenen und Heimatvertriebenen ein Zusammengehörigkeitsgefühl im neu entstandenen Bundesland zu vermitteln.

Grundsätzlich eine gute Idee, doch im Laufe der Zeit entfernte man sich immer weiter von diesem Konzept. Mehr als 60 Jahre später ist der Hessentag längst kein heimeliges Fest zur Stärkung der hessischen Identität mehr, sondern ein millionenschweres Unterhaltungs-Event mit Kirmesbuden und Konzerten nationaler oder gar internationaler Stars, von denen viele keinen Bezug zur Region haben. Das hat seinen Preis: Inzwischen subventionieren Steuerzahlerinnen und Steuerzahler jeden Hessentag aus unterschiedlichen öffentlichen Kassen mit insgesamt rund 20 Mio. Euro. Dieses Geld fließt nicht nur in die Durchführung, sondern auch in Infrastrukturprojekte vor Ort, die teilweise nichts mit dem Hessentag zu tun haben. Der Bund der Steuerzahler hat diesen Gigantismus immer wieder kritisiert, auch im Schwarzbuch. Doch abgesehen von kosmetischen Anpassungen war die hessische Landesregierung nicht zu tiefgreifenden Reformen und Einsparungen bereit. Der Kritik begegnete sie in den Medien mit der Behauptung, der Hessentag bringe einen „unbezahlbaren Imagegewinn“ sowie mit der gewagten These, es sei für die Kosten unerheblich, ob man ein Zelt für drei oder zehn Tage aufbaue. Dass diese Realitätsverweigerung ein teurer Fehler war, zeigte sich besonders deutlich im Jahr 2023.

Nachdem der Hessentag drei Mal pandemiebedingt ausgefallen war, sollte für Hessens Feierfreudige in Pfungstadt eine lange Durststrecke enden. Doch wenige Wochen vor Beginn stand das durchgeplante Fest plötzlich auf der Kippe: Pfungstadts Bürgermeister musste Mitte April vor Gremien und Öffentlichkeit zugeben, dass auf die südhessische 25.000-Einwohner-Stadt kurzfristig Mehrkosten von 1,9 Mio. Euro zukommen würden, um das Event wie vorgesehen zu veranstalten. Die einzige Alternative wäre die Absage des Hessentags gewesen. Weil damit sehr wahrscheinlich deutlich höhere Belastungen für die Stadt einhergegangen wären, genehmigten die Pfungstädter Stadtverordneten schließlich die Mehrkosten.

Die Ursachen für die sprunghaft gestiegenen Kosten waren laut Bürgermeister allgemeine Kostensteigerungen, Inflation, Energiepreise, aber vor allem die schwierige Marktsituation in der Veranstaltungsbranche. Nach der Ausschreibung der mehr als 70 unterschiedlichen Leistungen (z. B. Bühnen- oder Verkehrsleittechnik, Ehrentribüne, sogenannte Terrorsperren, Festzelt und Trafostationen, Reinigungsleistungen, Sicherheits- und Ordnungsdienste sowie Sanitäts- und Rettungsbetreuung), die mitunter erst kurzfristig erfolgen konnten, sei klargeworden, dass die Ergebnisse vieler Ausschreibungen teilweise deutlich über dem Preis lagen, den man erwartet hatte. Trotzdem wollte der Bürgermeister „das Beste daraus machen“ und den Hessentag durchziehen. Dass das am Ende nicht ganz wie erhofft funktionierte, zeigte die Gästezahl, die 2023 mit insgesamt 400.000 an 10 Tagen deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb. Das dürfte sich noch einmal negativ auf die Gesamtabrechnung auswirken, die zu Redaktionsschluss noch nicht vorlag. Die Krisen der jüngeren Vergangenheit haben Schwächen und Risiken des ausgeuferten Party-Konzepts noch einmal offengelegt. Insbesondere, wenn kleinere Kommunen das Fest ausrichten wollen, bedeutet das für sie eine hohe Belastung. Angesichts steigender Sicherheits-, Hygiene-, Energie- und Lohnkosten, die eben nicht pauschal anfallen, macht es natürlich einen Unterschied, wie viele Tage das Fest dauert. Der Hessentag dürfte daher nur eine Zukunft haben, wenn er kürzer und/oder seltener gefeiert wird – so wie es alle übrigen Bundesländer vormachen.

Der Bund der Steuerzahler fordert:

Das Pfungstädter Dilemma, entweder kurzfristig Zusatzkosten in Millionenhöhe zu akzeptieren oder noch höhere Schadenersatzforderungen bei einer Hessentags-Absage zu riskieren, zeigt, dass es so nicht weitergehen kann. Die Welt und damit auch die Rahmenbedingungen eines solchen Mega-Events haben sich so stark verändert, dass Hessen sein Landesfest endlich deutlich verschlanken muss.

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