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Zusatzposten in Hessens Kommunen gehen ins Geld

Damit sich alle Partner in neuen Koalitionen auf kommunaler Ebene vertreten fühlen, schaffen neue Mehrheiten vielerorts weitere Posten. Die Kosten für die zusätzlichen Stellen dieser hauptamtlichen Beigeordneten gehen hessenweit in die Millionen, die dann für inhaltliche Projekte fehlen. Ein Ende dieser Praxis ist nicht in Sicht.

Hessen. Bei der Kommunalwahl im März 2021 wählten die Bürgerinnen und Bürger die Parlamente der hessischen Städte, Gemeinden und Landkreise. Nach der Hälfte der fünfjährigen Wahlperiode zeigt sich, dass sich Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker parteiübergreifend vielerorts mit zusätzlichen gut dotierten Posten versorgt haben. Damit wollen sie die veränderten Mehrheitsverhältnisse in den Parlamenten abbilden. Um Platz für neue Stelleninhaber zu schaffen, nutzten die neuen Mehrheiten zum Beispiel in Frankfurt und Darmstadt schon die Möglichkeit, in den ersten sechs Monaten nach der Kommunalwahl mit einfacher Parlamentsmehrheit hauptamtliche Beigeordnete wieder abzuwählen. Das hatte der Bund der Steuerzahler bereits im Schwarzbuch 2021/22 kritisiert.

Schon damals zeichnete sich ab, dass darüber hinaus die Stellen für hauptamtliche Beigeordnete auch in mehreren anderen Kommunen ausgeweitet werden. Hintergrund: Durch etliche neue, kleinere Fraktionen in den Kommunalvertretungen gestaltet sich die Mehrheitsbildung schwieriger als früher. Die klassische Koalition aus zwei Fraktionen ist inzwischen die Ausnahme. Da oft alle neuen Partner mit eigenen Hauptamtlichen in Magistrat, Gemeindevorstand oder Kreisausschuss vertreten sein wollen, schaffen sie zusätzliche Posten. Begründet wird dies aber in der Regel mit „wachsenden Aufgaben“ und „großen Herausforderungen für die Kommune“. Auch wenn die Stellen der hauptamtlichen Beigeordneten natürlich öffentlich ausgeschrieben werden müssen, erfolgen Wahl und Auswahl in Hessen in aller Regel streng nach Parteibuch und Koalitionszugehörigkeit. So verkünden die Fraktionen oft schon vor der Ausschreibung ihre Kandidatinnen oder Kandidaten.

Besonders augenfällig ist die Ausweitung der hauptamtlichen Posten im Main-Taunus-Kreis und im Landkreis Gießen. In beiden Landkreisen wurden mittlerweile vierte Hauptamtliche gewählt. Dort gibt es nun jeweils einen Landrat, einen Ersten Kreisbeigeordneten plus zwei weitere hauptamtliche Beigeordnete. Dies ist absolute Spitze in Hessen. Im Main-Taunus-Kreis war zwar schon einmal für kurze Zeit die Position eines vierten Hauptamtlichen besetzt – aber nur für eine Übergangszeit bis zum Ausscheiden des bisherigen Amtsinhabers. Praktischerweise war der vierte Hauptamtliche also dadurch bereits in der Hauptsatzung des Kreises verankert, als dann die Wahl, mit Amtsantritt im Mai 2022, folgte. Bis vor wenigen Jahren wäre das rechtlich nicht zulässig gewesen, denn die Hessische Landkreisordnung (HKO) sah eine Deckelung auf drei Hauptamtliche vor: Landrat plus zwei Beigeordnete. Leider wurde diese Regelung gestrichen.

Im Kreis Gießen gab es diese vierte hauptamtliche Position bisher nicht. Der Kreistag musste sie also in seiner ersten Sitzung in der Satzung verankern, bevor diese zusätzliche Stelle besetzt werden konnte. Der neue Beigeordnete trat im Januar 2023 sein Amt an.

Auch der Kreistag im Landkreis Kassel schuf gleich in seiner ersten Sitzung einen zusätzlichen Posten. Hier war es zwar „nur“ die Installation eines dritten Hauptamtlichen, dafür ging es sehr schnell: Die neue Position wurde im Frühsommer geschaffen und der Amtsantritt des Hauptamtlichen war bereits im November 2021.

Auch die neue hauptamtliche Position im Werra-Meißner-Kreis ist aus Sicht des Bundes der Steuerzahler auffällig. Hier sahen die Mehrheitsfraktionen nach der Kommunalwahl zunächst keinen Handlungsbedarf. Und so blieb es im zweitkleinsten Landkreis Hessens bei einem hauptamtlichen Beigeordneten neben dem Landrat. Allerdings wählten die Bürgerinnen und Bürger bei der Landratsdirektwahl einige Zeit später eine Kandidatin, die parteipolitisch keiner Mehrheitsfraktion angehörte. Im September 2022 scheiterte die Wahl eines Koalitionskandidaten zum Ersten Kreisbeigeordneten, die bisherige Mehrheit zerbrach. Die folgende Koalition änderte sofort die Hauptsatzung und schuf eine zusätzliche Beigeordneten-Stelle, sodass die beiden neuen Koalitionspartner jeweils einen Hauptamtlichen stellen konnten. Damit hat der Werra-Meißner-Kreis nun drei Hauptamtliche – genauso viele wie z. B. der Wetteraukreis oder der Landkreis Offenbach, die jeweils mehr als drei Mal so viele Einwohner haben.

Doch die Erhöhung der Zahl der hauptamtlichen Beigeordneten ist nicht nur auf die Landkreisebene beschränkt: Auch in kreisfreien Städten gibt es immer wieder neue Posten auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Über die Ausweitung in Frankfurt hatte der Bund der Steuerzahler bereits im Schwarzbuch 2021/22 berichtet. In Darmstadt war damals die Ausweitung nur angedacht, doch mittlerweile haben die Stadtverordneten die Hauptsatzung geändert und diese Position – mit Amtsantritt im September 2022 – neu geschaffen.

In der Landeshauptstadt Wiesbaden war keine Änderung der Hauptsatzung erforderlich. Zwar hatte sich die Koalitionsbildung im Stadtparlament einige Zeit hingezogen, aber mittlerweile ist sich auch dort die Mehrheit einig – und hat eine zusätzliche hauptamtliche Beigeordnete gewählt, die zum 1.7.2023 ihr Amt angetreten hat. Das Besondere: Nach Medienberichten sollte der kleinste der neuen Koalitionspartner eigentlich nur ein ehrenamtlich geführtes Dezernat bekommen, dem auch das Ordnungsamt zugeordnet werden sollte. Die Aufgaben der Ordnungsbehörde dürfen in Hessen jedoch nur an hauptamtliche Dezernenten delegiert werden. Als Kompromiss wurde ein „Teilzeit-Dezernat“ geschaffen, und die neue Beigeordnete sollte nach ihrer Wahl einen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 50 Prozent stellen. Diesen Antrag hat sie mittlerweile gestellt – allerdings nicht für die volle Wahlzeit von 6 Jahren, sondern befristet bis 6 Monate nach der nächsten Kommunalwahl. Das heißt, dass sie ein halbes Jahr nach der nächsten Kommunalwahl in eine Vollzeitbeschäftigung wechselt – sofern die Stadtverordneten sie vorher nicht abwählen.

Dass auch kreisangehörige Städte bei der Koalitionsbildung die Stellen hauptamtlicher Beigeordneter erhöhen, zeigt das Beispiel Marburg. Dort wurde im November 2021 die Hauptsatzung geändert. Es gab zwar den Versuch, diese Änderung durch einen Bürgerentscheid rückgängig zu machen, doch wurde die erforderliche Zahl der Unterstützer-Unterschriften knapp verfehlt. Die Wahl erfolgte also im Juli 2022, der Amtsantritt des neuen Dezernenten war im August 2022.

Die Kosten für die zusätzlichen Posten müssen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler tragen – und zwar auch über die sechsjährige Amtszeit hinaus. Schließlich kommen bei hauptamtlichen Beigeordneten neben den Bezügen, den Kosten für persönliche Referenten, Sekretariat, Büro, Beihilfe etc. noch Pensionsansprüche hinzu. Diese sind abhängig von der Ausbildung und der vorherigen Tätigkeit. Bei einer Eingruppierung der genannten sieben zusätzlichen Positionen zwischen B3 und B7 kommt da einiges zusammen. Nach Auskunft des Werra-Meißner-Kreises belaufen sich schon die Kosten der dortigen zusätzlichen B3-Position innerhalb der Wahlperiode auf rund 1,5 Mio. Euro, für die hier aufgeführten sieben zusätzlichen Beigeordnetenstellen also mehr als 10 Mio. Euro.

In Hessen wurde deutlich, dass die Stellenausweitung für hauptamtliche Beigeordnete nicht auf die Monate nach der Kommunalwahl beschränkt ist. Es ist zu befürchten, dass spätestens nach der nächsten Wahl im Frühjahr 2026 die Abwahl bisheriger Amtsinhaber und die Erhöhung der Stellen für hauptamtliche Beigeordnete wieder Fahrt aufnimmt.

Der Bund der Steuerzahler fordert:
Die Mehrheitsbildung in den Kommunen darf nicht auf Kosten der Steuerzahler gelöst werden. Schließlich fehlt dieses Geld dann für wichtige Projekte. Der hessische Gesetzgeber ist gefordert, eine Obergrenze für Hauptamtliche in den Städten, Gemeinden und Landkreisen einzuführen – am besten nach Einwohnern gestaffelt.

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