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"E-Highway": Ausfahrt verpasst

Fragwürdiges Pilotprojekt noch einmal für 22 Mio. Euro erweitert

Foto: Siemens AG

Auf einem Abschnitt der Autobahn 5 in Südhessen ließ der Bund im Jahr 2019 Oberleitungen für Elektro-Lkws anbringen, um zu erproben, ob und wie man damit den CO2-Ausstoß im Güterverkehr reduzieren kann. Die Gesamtkosten für die hessische Teststrecke betrugen damals rund 30 Mio. Euro. Trotz viel Kritik an dem als "E-Highway" bezeichneten Projekt investierte der Bund 2022/23 weitere 22 Mio. Euro und baute die Strecke um 7 km aus. Der BdSt Hessen hat Zweifel, ob das Geld sinnvoll ausgegeben wurde.

Pilotprojekt auf der A5 mit Oberleitungs-Hybrid-Lkw
Wer schon einmal auf der A5 zwischen Darmstadt und Frankfurt unterwegs war, kennt die Oberleitungen zwischen den Anschlussstellen Langen/Mörfelden und Weiterstadt. Das Projekt ELISA (elektrifizierter innovativer Schwerlastverkehr auf Autobahnen) ist seit 2019 in Betrieb. Es handelt sich um eine Pilotstrecke zur Energieversorgung elektrisch angetriebener schwerer Nutzfahrzeuge via Oberleitung ("E-Highway") im öffentlichen Straßenraum. Auf der Strecke kommen Oberleitungs-Hybrid-Lkw, kurz OH-Lkw, zum Einsatz. Diese verfügen über einen Elektromotor sowie einen Stromabnehmer, der unter einer Oberleitung ausfährt. Nach der Oberleitungsstrecke sind die Laster noch einige Zeit mit der Batterieladung unterwegs, anschließend mit den ebenfalls eingebauten Dieselmotoren. Auf diese Weise sollen die Treibhausgasemissionen des Straßengüterverkehrs sinken.

In den ersten Monaten nutzte nur ein Fahrzeug die Strecke
Die Oberleitungsinfrastruktur für die ersten 10 km kostete 14,6 Mio. Euro, die Leitplanken 5,6 Mio. Euro, die Betriebsprozesse während des Feldversuchs 5,8 Mio. Euro und die wissenschaftliche Begleitung 3,5 Mio. Euro. Im Mai 2019 wurden 5 km in beide Richtungen in Betrieb genommen. Doch wegen Lieferschwierigkeiten nutzte die Anlage zunächst nur ein OH-Lkw. Erst im September 2019 kam dann ein zweiter hinzu. Inzwischen nutzen elf Fahrzeuge von neun Speditionen aus dem Rhein-Main-Gebiet die Oberleitungsstrecke (Stand: November 2023).

"E-Highway" schon im Schwarzbuch 2019/20 kritisiert
Das Konzept ist aus verschiedenen Gründen umstritten. Zum einen sind OH-Lkw mit zwei Antrieben ausgestattet. Dadurch sind sie schwerer und teurer als konventionelle Laster und damit unattraktiver für Speditionen. Zum anderen sind die Oberleitungen auf der Straße kostenintensiver und aufwendiger als auf der Schiene. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass ein großer Teil der in Deutschland verkehrenden Lastwagen ohnehin aus dem Ausland kommt, wo es keine Oberleitungen gibt. Deshalb landete der Fall auch im Schwarzbuch 2019/20.

Erweiterung auf 17 km im Frühjahr 2022
Trotz aller Kritik entschloss sich die Bundesregierung dazu, die Strecke ab dem Frühjahr 2022 weiter auszubauen. Zur Begründung nannte sie die Untersuchung längerer Ladestrecken und -zeiten, die Analyse neuer OH-Lkw-Typen, die Sammlung weiterer Daten für die Forschung sowie das Ladeverhalten bei unterschiedlich langen Ladestrecken. Durch die Erweiterung um 7 km nach Süden beträgt die Pilotstrecke nun 17 km: In Fahrtrichtung Darmstadt sind es rund 12 km und in Fahrtrichtung Frankfurt 5 km mit Oberleitung. Zu den bestehenden 229 Masten für Fahrdrähte und Tragseile kamen weitere 181 hinzu.

Nur etwa zwölf Fahrten pro Tag
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat den Ausbau mit insgesamt 22 Mio. Euro gefördert, davon 12,4 Mio. für die Oberleitung, der Rest u.a. für Schutzeinrichtungen, Studien zu technischen Fragen und für die Erweiterung von Betriebs- und Sicherheitskonzepten. Hinzu kommen seit 2019 noch jährlich 400.000 Euro für betriebliche Aufgaben wie Wartung und Instandhaltung. Insgesamt fuhren im Zeitraum Mai 2019 bis Juni 2023 elf Lkws insgesamt 86.710 km. Die Gesamtzahl der Fahrten betrug 17.342, was ungefähr zwölf pro Tag entspricht. Um einen OH-Lkw in Aktion zu sehen, muss man also Glück haben.

Ist eine Zukunft mit OH-Lkw wirklich realistisch?
Bisher konnte gezeigt werden, dass ein emissionsfreier Betrieb von Sattelzugmaschinen auf E-Highways grundsätzlich möglich ist. Aber könnte dies wirklich flächendeckend Realität werden? Ein langfristig sinnvoller Einsatz der Technik setzt eine große Verbreitung der Oberleitungen voraus, dies würde aber zu enormen Kosten führen. Für den BdSt Hessen stellt sich die Frage nach der Zukunftsfähigkeit der Technologie, wenn sich flexiblere und preiswertere Optionen der Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs durchsetzen. Könnte mit der Fördersumme nicht mehr für das Klima erreicht werden, wenn man alternativ den Schienenverkehr schneller ausbaut? Das Ende des "E-Highway"-Projekts ist für Mitte 2025 geplant. Dann wird sich zeigen, ob sich das System lohnt oder ob der Bund die Ausfahrt für das Projekt nehmen muss. Die Projektkosten wären dann in eine Sackgasse investiert worden.

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