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Wahlrechtsreform nicht aussitzen!

Derzeitiger XXL-Landtag muss Ausnahme bleiben

Nicht nur der Deutsche Bundestag ist durch Überhang- und Ausgleichsmandate aufgebläht, auch der Hessische Landtag hat sich durch das Ergebnis der letzten Wahl deutlich vergrößert. Die zufällige und sachlich nicht erforderliche Vergrößerung von hauptamtlichen Parlamenten führt zu deutlichen Akzeptanzproblemen bei den Wählern und beträchtlichen Mehrkosten für die Steuerzahler. Der BdSt Hessen streitet deshalb für eine Wahlrechtsreform, die übergroße Parlamente künftig ausschließt.

Auslöser: Ausgleich für Überhangmandate
Eigentlich sind für den Hessischen Landtag 110 Abgeordnete vorgesehen, von denen 55 direkt in den Wahlkreisen (Wahlkreisstimme oder „Erststimme“) und 55 mit der Landesstimme („Zweitstimme“) über die Landeslisten der Parteien gewählt werden sollen. Zu Überhangmandaten kommt es, wenn eine Partei mehr Sitze direkt gewinnt, als ihr nach dem Verhältnis der Zweitstimmen eigentlich zustehen würden. Damit das Verhältnis der Parteien nach dem „Zweitstimmen“-Ergebnis gewahrt bleibt, erhalten nach dem hessischen Landtagswahlrecht die anderen Parteien, die die 5-Prozent-Hürde übersprungen haben, so genannte Ausgleichsmandate. Bei der letzten Wahl hätten der CDU nach dem Ergebnis der Landesstimmen eigentlich nur 32 Sitze zugestanden, sie gewann aber 40 Wahlkreise. Dieser Vorteil wurde durch insgesamt 27 zusätzliche Mandate für die anderen fünf im Landtag vertretenen Parteien ausgeglichen. Das Parlament wuchs so von 110 auf 137 Sitze an, also fast um ein Viertel. Bemerkenswerter Effekt dieser zufälligen Aufblähung: Nur so konnte Schwarz-Grün seine Mehrheit im Landtag halten.

XXL-Landtag führt zu XXL-Kosten
Mit der Vergrößerung des Parlaments steigen zwangsläufig auch die Kosten für die Steuerzahler, da für jeden zusätzlichen Abgeordneten auch zusätzliche Aufwendungen für Diäten, Ausstattung, Büroflächen, Personal, Reisen usw. anfallen. Gleichzeitig gewinnt die parlamentarische Arbeit durch mehr Abgeordnete aber nicht automatisch an Qualität oder wird dadurch gar die Demokratie gestärkt. Im Gegenteil, bei großen Parlamenten stellt sich zwangsläufig die Frage nach deren Arbeitsfähigkeit. Schon am Tag nach der Landtagswahl im Oktober 2018 hatte der BdSt Hessen deshalb eine Wahlrechtsreform gefordert. Später legte der Verein nach und regte in einem Brief an alle Fraktionen eine baldige öffentliche Expertenanhörung an. Auch in persönlichen Gesprächen mit Landespolitikern wurde das Thema immer wieder diskutiert.

Verschiedene Optionen für Reform
Es gibt verschiedene Wege zu einer Landtagsverkleinerung. Zwei davon brachten FDP und AfD in den Landtag ein. Wie vom BdSt Hessen gefordert, wurde eine Experten-Anhörung des Innenausschusses beschlossen, bei der auch der Steuerzahlerbund die Gelegenheit zur Stellungnahme erhielt. Die Auswirkungen der unterschiedlichen Reformmodelle sollten nun von den Fraktionen sorgfältig abgewogen und anschließend eine möglichst breite Verständigung herbeigeführt werden, die schon bei der nächsten Landtagswahl gilt.

Gegenargumente gehen ins Leere
Ob das gelingt, ist allerdings fraglich. In einer Landtagsdebatte waren wenig überzeugende Argumente gegen eine Reform zu hören. Diese zielen beispielsweise gegen eine Verringerung der Wahlkreiszahl und argumentieren mit sinkender Bürgernähe, verkennen dabei aber, dass es vor 1970 auch nur 48 statt wie heute 55 Wahlkreise gab. Außerdem kümmern sich natürlich alle Parlamentarier um örtliche Anliegen, nicht nur die jeweils direkt gewählten. Auch das Argument, es habe sich beim Wahlergebnis um einen einmaligen Vorgang gehandelt, man solle doch zunächst die weitere politische Entwicklung abwarten, soll wohl dazu dienen, die Reform auf die lange Bank zu schieben. Ein Wahlrecht sollte immer so gestaltet sein, dass Überhang- und Ausgleichsmandate unabhängig vom Wahlergebnis ausgeschlossen oder zumindest sehr unwahrscheinlich sind. Alle Fraktionen müssen sich nun bekennen, ob sie für eine Reform zur Verfügung stehen. Die vorliegenden Gesetzentwürfe einfach abzulehnen ohne eine überzeugende Alternative zu bieten, wäre den Bürgerinnen und Bürgern kaum zu vermitteln. Der Landtag muss auf sein Normalmaß zurückgeführt werden.

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