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Alle Kommunen im Landkreis Gießen planen 2025 mit Haushaltsdefizit

Bund der Steuerzahler Hessen analysiert Finanzsituation der Städte und Gemeinden / Allendorf, Hungen, Langgöns und Rabenau überschreiten Grundsteuer-Empfehlungen des Landes deutlich / Wettenberg setzte Grundsteuer A auf Null / Vereinzelt Interesse an neuer Grundsteuer C / Kriftel schaffte Straßenbeiträge ab

Nach den Ergebnissen der Kommunalfinanzanalyse des Bundes der Steuerzahler (BdSt) Hessen im Landkreis Gießen wird es im Zuge der Grundsteuerreform in einigen Kommunen deutlich teurer. „Wovor wir immer gewarnt haben, ist mancherorts nun bittere Realität: Teilweise wurden die Hebesätze nicht aufkommensneutral umgestellt, sondern überproportional angehoben, um die Einnahmeseite zu verbessern. 13 von 18 Kreiskommunen haben einen Hebesatz beschlossen, der mindestens fünf Prozentpunkte über dem vom Land berechneten aufkommensneutralen Wert liegt”, erklärt Jochen Kilp, Vorstand beim hessischen Steuerzahlerbund.

Im Zuge der Grundsteuerreform mussten alle Kommunen zum 1.1.2025 neue Hebesätze beschließen, dazu hatte das Land Hessen für jede Stadt oder Gemeinde einen aufkommensneutralen Hebesatz berechnet und veröffentlicht. Mit diesem Hebesatz sollten die Kommunen genauso viel Grundsteuer einnehmen wie 2024, also vor der Reform. Diesen aufkommensneutralen Hebesatz haben insbesondere Rabenau (+173 Prozentpunkte), Allendorf (Lumda) (+156), Langgöns (+117) und Hungen (+106) deutlich überschritten.

Hintergrund für die erheblichen Abweichungen gegenüber den aufkommensneutralen Werten dürfte die angespannte Haushaltslage der Kommunen sein. 2025 kann keine der 18 Kreiskommunen einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Allendorf (Lumda) kann das geplante Defizit auch dieses Jahr nicht im Jahresabschluss durch eine Entnahme aus der Rücklage ausgleichen – trotz Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer.

„Die Kommunen stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand. Immer neue Aufgaben und steigende Kosten fressen die gestiegenen Steuereinnahmen mehr als auf.

Das Land Hessen ist gefordert, die finanzielle Ausstattung der Kommunen endlich zu verbessern. Sonst drohen weitere massive Mehrbelastungen der Bürgerinnen und Bürger durch Steuern und Gebühren sowie Kürzungen bei wichtigen Investitionen oder eine deutlich höhere Verschuldung der Kommunen“, so Kilp. Aber auch die Kommunen seien gefordert, ihren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu leisten. Dazu müssten sie Prioritäten setzen sowie ihre freiwilligen Standards und Leistungen hinterfragen. Nicht jede Kommune müsse alle Leistungen und Aufgaben selbst und allein erfüllen. Durch Interkommunale Zusammenarbeit ließen sich Synergien erzeugen, Aufgaben besser und wirtschaftlicher erledigen.

Bei der Grundsteuer B liegen nach der Reform Allendorf (Lumda) (700 Prozent), Gießen (626) und Rabenau (600) an der Spitze im Landkreis Gießen. Die Grundsteuer B wird auf bebaute und bebaubare Grundstücke erhoben. Da sie über die Nebenkosten auch auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden kann, trifft sie alle Bürgerinnen und Bürger. Die niedrigsten Hebesätze haben Pohlheim (282), Buseck (357) und Linden (365) beschlossen. Mit einem Hebesatz-Schnitt von 460 Prozent liegt der Landkreis Gießen 63 Punkte über der durchschnittlichen aufkommensneutralen Empfehlung des Landes (397) und knapp unter dem Durchschnitt aller hessischen Städte und Gemeinden zum 1.1.2025 (476 Prozent).

Neben der reinen Höhe des Hebesatzes hat der BdSt auch die Grundsteuer-Belastung pro Kopf erhoben. Dabei ergeben sich im Landkreis Gießen ebenfalls große Unterschiede. So müssen die Bürgerinnen und Bürger in Allendorf (Lumda) mit rund 293 Euro pro Kopf im Schnitt am meisten tragen, gefolgt von Rabenau (etwa 287 Euro) und Gießen (ca. 247 Euro). Die niedrigste Pro-Kopf-Belastung ergibt sich in Pohlheim (fast 103 Euro), Linden (rund 139 Euro) und Buseck (ca. 153 Euro). Die durchschnittliche Belastung liegt im Kreis Gießen bei rund 199 Euro.

Auch die Hebesätze der Grundsteuer A mussten die Kommunen zum 1.1.2025 neu festlegen. Die Grundsteuer A wird auf land- und forstwirtschaftliche Flächen erhoben. Auch hier ruft Allendorf (Lumda) mit 700 Prozent den höchsten Hebesatz auf, während Wettenberg die Land- und Forstwirte seit diesem Jahr ganz von der Grundsteuer A befreit.

Im Zuge der Grundsteuerreform ist es den Kommunen in Hessen nun erlaubt, eine zusätzliche Grundsteuer C zu erheben. Diese belegt baureife Grundstücke, die noch nicht bebaut wurden, mit einem erhöhten Hebesatz (bis zum fünffachen des jeweiligen Hebesatzes der Grundsteuer B). Damit möchte die Politik bewirken, dass baureife Grundstücke verstärkt bebaut werden und nicht brach liegen oder damit spekuliert wird. Der BdSt Hessen sieht die Grundsteuer C kritisch, schließlich ist mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand und zahlreichen Klagen zu rechnen. Demgegenüber dürften die Erträge aus der neuen Steuer gering sein und auch die erwünschte Lenkungswirkung dürfte mit der Grundsteuer C nicht erzielt werden. Aktuell ist die Grundsteuer C in fünf Kommunen des Landkreises Gießen ein Thema. Während sie in Buseck schon für 2026 beschlossen wurde, planen Langgöns (ab 2026) und Lollar (ohne Datum) die Einführung, in Linden und Wettenberg wird die neue Steuer geprüft bzw. beraten.

Bei der Gewerbesteuer, die zum Jahreswechsel nicht reformiert wurde, haben vier Kreiskommunen ihre Hebesätze gegenüber 2024 gesteigert: Langgöns erhöhte um 25 Punkte auf nun 395 Prozent, Allendorf (Lumda) und Heuchelheim jeweils um 20 Punkte auf jetzt 420 bzw. 400 Prozent und Wettenberg um 10 Punkte auf nun 400 Prozent. Die höchste Belastung müssen die Gewerbetreibenden mit 450 Prozent weiterhin in Hungen tragen, die niedrigste auch 2025 in Lich (360 Prozent). Im Durchschnitt liegen die Kreiskommunen nun bei 411 Prozent (+5) und damit über dem hessischen Vorjahresdurchschnitt von 396 Prozent.

Die Hessische Gemeindeordnung (HGO) sieht vor, dass die Städte und Gemeinden ihre Haushaltspläne im jeweiligen Vorjahr verabschieden und der Aufsichtsbehörde bis zum 30.11. zur Genehmigung vorlegen sollen. Wie die BdSt-Kommunalfinanzanalyse zeigt, konnten diese Frist für den Haushalt 2025 nur Linden und Biebertal einhalten. Linden hatte Anfang 2024 einen Doppelhaushalt 2024/2025 verabschiedet, Biebertal hat die Frist mit dem 26.11.2024 um vier Tage unterboten. Während sieben Kreiskommunen ihre Haushalte immerhin noch im Dezember 2024 verabschieden konnten, erledigten dies die restlichen neun erst im laufenden Haushaltsjahr. Dabei hat Pohlheim mit der Verabschiedung am 10.4.2025 die Frist mit 131 Tagen Verzögerung am deutlichsten gerissen. Im Durchschnitt haben die Kommunen des Landkreises Gießen den Stichtag für 2025 um 54 Tage überschritten und brauchten damit zwei Tage mehr als im Vorjahr. Der hessenweite Durchschnitt lag 2024 bei 70 Tagen. Als Gründe für die Verzögerung führen die Kommunen vornehmlich an, dass der Finanzplanungserlass des Landes zu spät ergehe, die Finanzsituation der Kommunen immer angespannter werde, was zu längerer Beratung über schmerzhafte Einschnitte durch die Kommunalpolitik führe, und schließlich eine schwierige Personalsituation in den Kommunalverwaltungen.

Mit der Verpackungssteuer ist in einigen Kommunen eine weitere Belastung in der Diskussion. Diese lokale Steuer soll auf Einwegverpackungen für Essen und Getränke anfallen, die zum sofortigen Verzehr bestimmt sind. Die Befürworter versprechen sich davon, Einweg- zugunsten von Mehrweglösungen zu reduzieren. Zudem sollen die Einnahmen die Kosten für die Entsorgung des Abfalls im öffentlichen Raum tragen. Nachdem die baden-württembergische Stadt Tübingen diese Steuer 2022 eingeführt und dafür vom Bundesverfassungsgericht Anfang 2025 grünes Licht bekommen hat, denken weitere Städte über eine Einführung nach – auch in Hessen. Im Landkreis Gießen ist die Verpackungssteuer jedoch nur in Gießen und Heuchelheim in der Diskussion. Auch bei dieser zusätzlichen Steuer überwiegen für den hessischen Steuerzahlerbund die Nachteile: So steht dem zu erwartenden, überschaubaren Ertrag ein erheblicher Aufwand zur Erhebung gegenüber. Die Verpackungssteuer gehört daher zu den sogenannten Bagatellsteuern. So haben die Städte, die eine solche Steuer bisher eingeführt haben, gesonderte Stellen für die Erhebung geschaffen. Auch die betroffenen Betriebe wären von zusätzlicher Bürokratie betroffen.

Der hessische Steuerzahlerbund setzt sich weiterhin dafür ein, Straßenbeiträge bei voller Kompensation der kommunalen Einnahmeausfälle durch das Land abzuschaffen. Bedauerlicherweise verzichtet 2025 keine weitere Kommune komplett auf die Erhebung von Straßenbeiträgen. Damit verlangen im Kreis Gießen vier Städte und Gemeinden einmalige Beiträge, zwei wiederkehrende Beiträge.

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